2.3.5 Problemanalyse und Hypothesenbildung

Auch in dieser Phase hält sich der/die SupervisandIn zunächst zurück und hört aufmerksam zu. Die Gruppenmitglieder äußern ihre Ideen, Phantasien, Hypothesen, ohne deren Richtigkeit beweisen zu müssen. In Form von "Brainstorming" und "wilden Phantasien" können alle noch so verrückten Gedanken geäußert werden. Alle GruppenteilnehmerInnen sollten sich mit Kritik und Bewertungen zurückhalten. Es geht nicht darum, wer die "bessere" oder "richtigere" Idee oder Hypothese hat. Alle Äußerungen sind wichtig und weisen auf die Vielfalt von Erklärungsmodellen hin, der/die Supervisandln allein entscheidet darüber, welche der Äußerungen für ihn/sie nützlich sind und verwertet werden können. Nicht der Nachweis einer "richtigen" Hypothese ist das Ziel, sondern die Ausweitung der möglichen Sichtweisen, eine Erweiterung der möglichen Bedeutungsgebung.

Folgende Fragen können bei der Suche nach weiteren Erklärungsmodellen hilfreich sein:

– Sind alle vier Ursachenbereiche (Individuum, Schule, Familie, Gesellschaft) einbezogen worden?
– Wie werden die Einflüsse dieser vier Bereiche auf die Problementstehung oder die Problemlösung eingeschätzt? (Vgl. Arbeitsblatt 15, S. 132.)
– Welche Muster sind erkennbar?
– Welche Musterübertragungen von einem System auf andere haben stattgefunden?
– Ist die bisherige Sichtweise des/der Supervisandln eher hilfreich oder problemverstärkend?
– Um was geht es bei dem Konflikt (Problem) vordergründig, um was auf einer anderen Ebene?

In der Gruppe werden die verschiedenen Möglichkeiten durchdiskutiert. Der/die SupervisandIn überprüft sie auf Nützlichkeit und Brauchbarkeit.
Als Methoden können alle im folgenden Kapitel beschriebenen Vorgehensweisen zur Anwendung kommen. Auswahlkriterium für die Methoden ist dabei ihre Nützlichkeit in bezug auf das Problem und die Klärung anstehender Fragen.

 

2.3.6 Strategieplanung

Jetzt erst geht es um die Erarbeitung von Handlungs- und Reaktionsalternativen für den/die LehrerIn, um Lösungsansätze und die Planung von möglichen Interventionen oder Maßnahmen.

Die Problemlösung kann dabei auf verschiedenen Ebenen ansetzen:

1) Auf der personalen Ebene:
– Der/die Lehrerin sucht eine Veränderung in der Einstellung zum Problem oder zum Konfliktpartner (SchülerIn, Eltern, Kollegium usf.). Er/sie läßt dabei andere Sichtweisen zu, akzeptiert Änderungen auf der Ebene der Bedeutungsgebung.
– Hier geht es auch um Selbstschutz, um Psychohygiene. Der/die Supervisandln sucht für sich (mit Hilfe der Gruppe) nach Schutzvorkehrungen vor dem "Ausbrennen". Hierunter fallen die Suche nach den eigenen Ressourcen und Kraftquellen, Maßnahmen, sorgsam mit der eigenen Person umzugehen, die Suche nach Möglichkeiten, sinnvoll mit den eigenen Energien zu haushalten (Rollenhutmodell, Energiekuchen usw.; vgl. Arbeitsblätter 12 u. 13)
– Auch Veränderungen des eigenen Unterrichtsstils, die Erweiterung des fachlich-didaktischen Repertoires gehören natürlich dazu.

2) Auf der interpersonalen Ebene:
Auf dieser Ebene geht es um die Veränderung der Interaktion zwischen dem/der Supervisandln und anderen vom Problem betroffenen Personen (SchülerInnen, KonfliktpartnerInnen).

3) Auf der systemischen Ebene werden nun andere Systeme (Schulklasse, Eltern, Kollegium, schulisches Gesamtsystem usw.) in den Veränderungsprozeß einbezogen. Bei sehr krassen Problemfällen ist es auch wichtig, sich vor Überforderung zu schützen und eventuell Außensysteme einzuschalten (Beratungs- und Therapieeinrichtungen, Jugendamt, Sonderschule usw.), wenn das Problem in der Schule selbst nicht zu lösen ist (vgl. hierzu Eskalationsebenen der Lösungsansätze, Tab. 3).

In der Gruppendiskussion wird erörtert, auf welcher Ebene und in welchem System eine Veränderung sinnvoll erscheint. In dieser Phase ist es vorteilhaft, noch einmal die Gewichtung der Einflußfaktoren auf das Problem (Arbeitsblatt 15. S. 132) heranzuziehen. Es macht sicher einen Unterschied, ob der/die SupervisandIn seinen/ihren Einfluß auf die Problemlösung mit 20% oder mit 80% einschätzt.

 

 

 

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