Gefährdungslagen und Schutzfaktoren für Kindeswohlgefährdungen in Organisationen

Dirk Bange

Stellen Sie sich vor, Sie treffen zufällig auf eine Bewerbungskandidatin Ihrer Organisation und werden informell in ein Gespräch über die Strukturen und Begebenheiten in Ihrer Organisation verwickelt. Je spezifischer die Fragen – nach Personalschlüssel, Einarbeitungsprogrammen etc. – werden, umso mehr kommen Sie ins Überlegen… Betrachten Sie Ihre Organisation in Hinblick auf Ihre strukturellen Schutz-bzw. Risikofaktoren.

Während Sie zum Text „Kultur der Achtsamkeit als wesentlicher Aspekt eines Schutzkonzeptes“ (im Buch) Ihre Organisation im Hinblick auf ihre Kultur durchleuchtet haben, geht es nun darum, den IST-Zustand Ihrer Organisation im Hinblick auf ihre Struktur zu betrachten. Der Grundlagentext hat Sie dazu über strukturelle Schutzfaktoren vor bzw. Risikofaktoren für Grenzverletzungen sowie vor bzw. für psychische, körperliche und sexualisierte Gewalt auf unterschiedlichen Ebenen informiert.

Bitte betrachten Sie nun in einem ersten Schritt diese strukturellen Schutz- und Risikofaktoren im Hinblick auf Ihre Organisation. Reflektieren Sie im Anschluss mit den weiteren Vorlagen Ihr Ergebnis.

Vorlage 7.1

Identifizierung bzw. Betrachtung (ausgewählter) struktureller Schutz- und Risikofaktoren der eigenen Organisation.

Wichtig: Bitte beachten Sie, dass wir hier eine Auswahl an Schutz- und Risikofaktoren getroffen haben. Für eine tatsächliche Gefährdungsanalyse in Ihrer Organisation ergänzen Sie die Auswahl bitte um die für Ihre Organisation entscheidenden Punkte, um ein umfassendes und vollständiges Bild zu erhalten.

Diese Vorlage soll Ihnen zu einer Einschätzung von strukturellen Schutzfaktoren vor und Risikofaktoren für Grenzverletzungen sowie psychische, körperliche und sexualisierte Gewalt in Ihrer Organisation verhelfen. Bitte bewerten Sie je Risikofaktor und machen Sie ein Kreuz bei

„Ja“ = Vorhanden bzw. völlige Zustimmung.

„Ja, aber…“ = Vorhanden bzw. eingeschränkte Zustimmung, da ich Bedenken habe.

„Nein“ = Nicht vorhanden bzw. keine Zustimmung.

„Keine Info“ = Ich habe keine Informationen darüber.

Je nachdem, ob Sie ein „Ja“ oder ein „Ja, aber“, „Nein“ oder „Keine Info“ ankreuzen, haben Sie den entsprechenden Faktor als Schutzfaktor („Ja“) oder als Risikofaktor („Ja, aber“, „Nein“ oder „Keine Info“) identifiziert.

Trägerebene

Personalpolitik

Schutzfaktor oder Risikofaktor

Bewertung

 

Ja

Ja, aber..

Nein

Keine Info

Es wird mindestens genauso viel Personal beschäftigt, wie es die entsprechenden Personalschlüssel vorsehen.

Es wird gut ausgebildetes Personal eingestellt.

Es gibt ein transparentes und schriftliches Tarifsystem.

Es wird Wert auf ein multiprofessionelles Team sowie auf eine adäquate Mischung von erfahrenen und weniger erfahrenen Fachkräften gelegt.

Es werden genügend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt, um die regelmäßige Weiterbildung, die Fachberatung und die notwendige Supervision der Fachkräfte zu sichern.

Einstellungsverfahren und Arbeitsverträge

Schutzfaktor oder Risikofaktor

Bewertung

 

Ja

Ja, aber..

Nein

Keine Info

Es gibt ein strukturiertes Einstellungsverfahren, in dem das Nähe-Distanz-Verhältnis und der Schutz von Kindern vor (sexualisierter) Gewalt angesprochen werden.

Die Arbeitsverträge haben Zusatzvereinbarungen zum Schutz vor (sexualisierter) Gewalt. Entsprechende Dienstanweisungen werden den Arbeitsverträgen beigelegt.

Es gibt eine Vereinbarung, die die Fachkräfte zur Einhaltung aller Regeln und Vorschriften insbesondere auch solcher hinsichtlich des Nähe-Distanz-Verhältnisses sowie zur (sexualisierten) Gewalt verpflichtet. 

Erweiterte Führungszeugnisse werden regelmäßig von Fachkräften eingeholt.

Erweiterte Führungszeugnisse werden regelmäßig von ehrenamtlichen MitarbeiterInnen eingeholt.

Es bestehen Stellenbeschreibungen für die Fachkräfte in den Gruppen.

Umgang mit den Mitarbeitenden

Schutzfaktor oder Risikofaktor

Bewertung

 

Ja

Ja, aber..

Nein

Keine Info

Es findet eine fundierte Einarbeitung statt.

Es besteht ein Konzept, wie mit beschuldigten Mitarbeitern/innen umgegangen wird – auch gegenüber diesen Beschäftigten besteht eine Fürsorgepflicht.

Bei Verstößen gegen einschlägige Dienstanweisungen folgen arbeits- bzw. dienstrechtliche Konsequenzen.

Rahmenkonzepte/Dienstanweisungen

Schutzfaktor oder Risikofaktor

Bewertung

 

Ja

Ja, aber..

Nein

Keine Info

Ein Rahmenkonzept zur Umsetzung der Beteiligungsrechte von Mädchen und Jungen liegt gemäß der gesetzlichen Vorgaben des § 79a SGB VIII vor.

Ein systematisches Beschwerdemanagement ist entwickelt oder findet statt.

Es liegen Dienstanweisungen z.B. zum Umgang mit Nähe und Distanz und anderen für den Schutz und die Sicherheit der Mädchen und Jungen wichtigen Aspekten vor.

Es gibt Regeln zum Umgang mit dem Datenschutz.

Umgang mit Fehlern

Schutzfaktor oder Risikofaktor

Bewertung

 

Ja

Ja, aber..

Nein

Keine Info

Grenzverletzungen oder Fälle sexualisierter und körperlicher Gewalt werden systematisch erfasst, dokumentiert und analysiert.

Aus solchen Fällen werden strukturelle Konsequenzen gezogen.

Leitungsebene

Leitungsstrukturen

Schutzfaktor oder Risikofaktor

Bewertung

 

Ja

Ja, aber..

Nein

Keine Info

Es bestehen transparente Entscheidungskriterien von Seiten der Leitung.

Es gibt eine ausreichende fachliche Kontrolle der Mitarbeitenden durch die Leitung.

Die Fachkräfte erfahren durch die Leitungskraft Anerkennung, Wertschätzung und Unterstützung bei Problemen.

Die Fachkräfte bekommen Rückmeldungen zu ihrer tagtäglichen Arbeit.

Regelmäßige Dienstbesprechungen finden statt.

Regelmäßige Personalentwicklungsgespräche finden statt.

Es wird Raum für die gemeinsame Entwicklung pädagogischer Konzepte gegeben.

Die fachliche Weiterentwicklung der Fachkräfte wird gefördert.

Auf Supervision wird viel Wert gelegt.

Vorgaben für die tägliche Arbeit 

Schutzfaktor oder Risikofaktor

Bewertung

 

Ja

Ja, aber..

Nein

Keine Info

Klare Vorgaben zu verbindlichen Regeln für Fachkräfte z.B. zum Umgang mit Körperkontakt oder zum Fotografieren der Mädchen und Jungen sind vorhanden.

Das Nähe-Distanz-Problem sowie eine mögliche erotische Anziehung zwischen Betreuten und BetreuerInnen werden thematisiert.

Mitarbeiterebene

Privates und Berufliches

Schutzfaktor oder Risikofaktor

Bewertung

 

Ja

Ja, aber..

Nein

Keine Info

Berufliche und persönliche Kontakte werden ausreichend voneinander getrennt.

Es bestehen keine privaten Kontakte zwischen Kindern/Jugendlichen und den Fachkräften.

Umgang der Fachkräfte untereinander

Schutzfaktor oder Risikofaktor

Bewertung

 

Ja

Ja, aber..

Nein

Keine Info

Es gibt einen guten, kollegialen Umgang der Mitarbeitenden untereinander.

Es wird eine „No-Tolerance-Haltung“ zum Thema Mobbing unter den Mitarbeitenden gelebt.

Es wird eine „No-Tolerance-Haltung“ zum Thema Sexuelle Übergriffe unter den Mitarbeitenden gelebt.

Kritik gilt untereinander als zulässig und es gibt eine gute Streitkultur.

Pädagogische Konzept

Sexualpädagogik 

Schutzfaktor oder Risikofaktor

Bewertung

 

Ja

Ja, aber..

Nein

Keine Info

Es gibt ein sexualpädagogische Konzept.

Die Sexualpädagogik ist altersgemäß.

Die Sexualpädagogik ist geschlechtersensibel.

Nähe und Distanz, Machtbeziehungen 

Schutzfaktor oder Risikofaktor

Bewertung

 

Ja

Ja, aber..

Nein

Keine Info

Die Nähe-Distanz-Problematik wird aufgegriffen und es finden sich (deshalb) auch Regelungen für einen grenzachtenden Umgang.

Die strukturellen Machtunterschiede zwischen den Mitarbeitenden und den Kindern und Jugendlichen werden nicht geleugnet, vielmehr thematisiert und reflektiert.

Sexualisierte und körperliche Gewalt sowie Grenzverletzungen werden als Themen nicht tabuisiert, vielmehr thematisiert und reflektiert.

Es gibt Regeln für den Umgang mit Körperkontakten.

Beteiligung und Beschwerden 

Schutzfaktor oder Risikofaktor

Bewertung

 

Ja

Ja, aber..

Nein

Keine Info

Es herrscht eine Haltung vor, dass Kinderrechte und Mitbestimmungsrechte der Kinder und Jugendlichen strikt eingehalten werden müssen.

Die Kinder und Jugendlichen werden über Möglichkeiten, sich zu beschweren und sich gegen Grenzverletzungen oder sexualisierte Gewalt zu wehren bzw. sie melden zu dürfen, informiert.

Die Beteiligung der Eltern bzw. Sorgeberechtigten ist gut ausgeprägt.

Konzepte 

Schutzfaktor oder Risikofaktor

Bewertung

 

Ja

Ja, aber..

Nein

Keine Info

Präventionsansätze finden im Konzept ausreichend Berücksichtigung.

Vorlage 7.2

Bewertung der Antwortkategorie „Ja, aber...“

Nachdem Sie in Vorlage 7.1 eine Auswahl an strukturellen Schutz- und Risikofaktoren in Ihrer Organisation betrachtet haben, betrachten Sie nun hier in Vorlage 7.2 bitte in einem zweiten Schritt jene strukturellen Risikofaktoren, für die Sie in der Vorlage 7.1 „Ja, aber..“ eingetragen haben und formulieren Sie je Risikofaktor einen Bulletpoint, worin Sie Ihre Bedenken und einen Verbesserungsbedarf sehen:

  • Bedenken (Spalte 2): Was genau sind Ihre Bedenken bei diesem Punkt? Warum sind Sie zu dem Schluss gekommen, dass dieser Punkt in Ihrer Organisation zwar vorhanden ist, aber Sie ihn trotzdem für bedenklich halten?
  • Verbesserungsbedarf (Spalte 3): Was kann an diesem Punkt verbessert werden, damit Ihre Bedenken ausgeräumt werden?

Risikofaktor

Bedenken

Verbesserungsbedarf

Vorlage 7.3

Bewertung der Antwortkategorie „Nein“

In Vorlage 7.2 haben Sie diejenigen Risikofaktoren betrachtet, die sie zuvor mit „Ja, aber…“ bewertet haben. Betrachten Sie nun hier in Vorlage 3 bitte die strukturellen Risikofaktoren, für die Sie in der Vorlage 7.1 „Nein“ eingetragen haben und reflektieren Sie, wie diese in Ihrer Organisation bearbeitet werden könnten. Formulieren Sie dazu je Risikofaktor einen Bulletpoint, wie die Situation zu verbessern ist und welche Verantwortlichkeiten Sie sehen:

  • Maßnahmen (Spalte 2): Welche Schritte wären zur Verbesserung der Situation einzuleiten?
  • Verantwortlichkeiten (Spalte 3): Können Sie selbst unmittelbar die Situation verbessern? Von wem bräuchten Sie Unterstützung?

Risikofaktor

Verbesserungsbedarf : Welche Schritte wären zur Verbesserung der Situation einzuleiten?

Verantwortlichkeiten: Kann ich selbst unmittelbar die Situation verbessern? Von wem brauche ich Unterstützung?

Vorlage 7.4

Bewertung der Antwortkategorie „Keine Info“

In den vorherigen Vorlagen 7.1-7.3 haben Sie diejenigen Risikofaktoren betrachtet, deren Stand Sie einschätzen können, betrachten Sie nun bitte die strukturellen Risikofaktoren, über die Sie keine Informationen haben bzw. für die Sie in der Vorlage 7.1 „Keine Info“ eingetragen haben und reflektieren Sie, wie diese Intransparenz in Ihrer Organisation zustande gekommen sein könnte und wie dieser entgegengewirkt werden könnte. Halten Sie dazu je Risikofaktor einen Bulletpoint fest, wie diese Intransparenz zu erklären ist und wie ihr entgegengewirkt werden kann:

  • Reflexion der Intransparenz (Spalte 2): Was bzw. welche Strukturen in Ihrer Organisation bedingen, dass Sie zu diesem Risikofaktor keine Informationen haben?
  • Gegenmaßnahmen (Spalte 3): Wie könnte dieser Intransparenz entgegengewirkt werden?

Risikofaktor

Reflexion der Intransparenz

Gegenmaßnahmen