Besonders in den Sozialwissenschaften gehen Autorinnen immer öfter davon aus, dass DNA-Technologien - sowohl in ihrer Ausprägung als Instrumente zur Analyse von Tatortspuren, als auch in der Form genetischer Verhaltensforschung - zur Biologisierung gängiger Repräsentationen von Delinquenz und Kriminalität geführt haben. Dieser Beitrag versucht, sich einer Antwort auf die Frage zu nähern, ob diese (oft implizite) Diagnose für den Bereich der Narrative von verurteilten Straftätern in Österreich zutrifft. Er beginnt mit einer Übersicht über die Rolle, die DNA-Technologien in der jüngeren Vergangenheit innerhalb der Verbrechensaufklärung und -bekämpfung gespielt haben. Danach wird argumentiert, dass DNA-Technologien in vielerlei Hinsicht eine Fortsetzung bisheriger biologisierender Praktiken auf molekularer Ebene darstellen, ohne einen radikalen Paradigmenwechsel zu bedeuten. Ein Einblick in die Ergebnisse einer Studie mit österreichischen Häftlingen demonstriert, dass sich innerhalb dieser Gruppe keine Hinweise auf die Biologisierung in Form einer Genetisierung der Vorstellung von Delinquenz oder in einer klar sichtbaren Verschiebung von Selbstdeutungen finden. Abschließend wird die These aufgestellt, dass die Adoption von Begriffen wie genetischer Bürgerschaft oder Biosozialität als zentrale analytische Kategorien die Gefahr birgt, andere, außerhalb der Genetik angesiedelte Dimensionen komplexer sozialer Phänomene an den Rand zu drängen.
Beitrag
Durch die Gene sehen? Wider die Biosozialität hinter Gittern
Kriminologisches Journal (ISSN 0341-1966), Ausgabe 3, Jahr 2012, Seite 225 - 243
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Durch die Gene sehen? Wider die Biosozialität hinter Gittern
Kriminologisches Journal (ISSN 0341-1966), Ausgabe 3, Jahr 2012, Seite 225 - 243
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0341-1966
Beltz Juventa
Biosozialität