Beim Thema Pflegekinderhilfe hatte man lange Jahre den Eindruck, dass die Pflegefamilie "mehr genutzt als geschätzt wird" - wie es Peter Widemann einmal ausgedrückt hat. Im Unterschied zu anderen europäischen Ländern veränderte sich das Verhältnis bei der Fremdunterbringung zwischen Heimunterbringungen und Pflegefamilien in der Bundesstatistik allerdings kaum. In den letzten Jahren und auch ganz aktuell scheint jedoch sowohl von fachlicher als auch politischer und juristischer Seite Bewegung in die Debatte um die Rahmenbedingungen der Pflegekinderhilfe zu kommen. Das Pflegekinderwesen oder die neuerdings so akzentuierte Pflegekinderhilfe wird zum Thema beabsichtigter bundesgesetzlicher Neuregelungen und der Jugend- und Familienministerkonferenz, ausgewiesene Forscher und Forscherinnen aus anderen Bereichen der Erziehungshilfen bringen in den letzten Jahren ihre Forschungsansätze und -zugänge im Pflegekinderwesen ein. Neue Grundsatzpapiere entstehen und das DJI bringt mit dem DIJuF ein mehr als 1.000 Seiten-Handbuch zur Pflegekinderhilfe heraus. Öffnet sich hier ein historisches Zeitfenster zur Weiterentwicklung im Bereich des Pflegekinderwesens? Oder weniger pathetisch gefragt: Wie sehen die Zielperspektiven aus, die hinter den fachlichen, wie organisatorischen und rechtlichen Absicherungen sichtbar bleiben sollten? Wo gilt es anzusetzen? Die Redaktion bat mit einer offenen Frage "Was tut sich in der Pflegekinderhilfe?" zwei ausgewiesene Fachkollegen um kurze verstreute Anmerkungen zur aktuellen Reformlage. Gerahmt durch zeitliche wie platzmäßige Zumutungen im vorliegenden ForE-Heft an Klaus Wolf und Thomas Meysen entstanden zwei Zugänge, die einmal das Wechselspiel zwischen fachlich-sozialpädagogischen Zugängen und der Organisation der Pflegekinderhilfe betreffen (Klaus Wolf) und auf der anderen Seite den Zusammenhang von Anforderungen des Rechts an die Praxis und der Erwartungen der Pflegekinderhilfe an die rechtliche Entwicklung aufgreifen (Thomas Meysen). Aus beiden Blickwinkeln wird deutlich, wie wichtig und zentral aus sozialpädagogisch-forschender Sicht wie auch aus rechtlich-organisatorischer Sicht die Rückbindung aller Entscheidungen an das Kindeswohl und die Interessen, den Willen sowie die subjektiven Zugänge des heranwachsenden Pflegekindes sind. Zum Zweiten heben beide Zugänge die Schaffung und die Absicherung von Kontinuitäten und Verlässlichkeit hervor und problematisieren damit auch in der Pflegekinderhilfe eine Praxis des "Verlegens und Abschiebens" und der Zuständigkeitswechsel, wie sie in der Vergangenheit im Kontext der Heimerziehung immer scharf kritisiert wurde. Schließlich entwirren beide Autoren auf ihre je eigene Art das "Knäuel der Diskussionen um die Reform der Pflegekinderhilfe", indem sie fachlich aus ihrer Perspektive, bei allem Bemühen um Verlässlichkeit, gleichzeitig für ein strukturiertes Offenhalten von Optionen plädieren. Das bedeutet, aus sozialpädagogischer Perspektive wie bei der Organisation der Dienste und deren strukturelle wie rechtliche Konstituierung systematisch zum Thema zu machen, dass Pflegekinder immer mit mehreren Familien aufwachsen, denen eine reflektierte Aufmerksamkeit gebührt. -- --
Beitrag
Was tut sich in der Pflegekinderhilfe?
Forum Erziehungshilfen (ISSN 0947-8957), Ausgabe 4, Jahr 2011, Seite 196 - 201
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