Um die Bedingungen des Aufwachsens von Kindern zu verbessern, mag es nahe liegen, auch die Verfassung heranzuziehen. Vorläufer für die wieder einmal aufgekommene Forderung nach einer stärkeren Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz war - neben vielfältigen, dringlich gemachten einschlägigen Forderungen aus dem Bereich der Freien Träger - ein befürwortendes Signal von höchster politischer Ebene durch Bundeskanzlerin Merkel im Rahmen eines Kinderrechte-Forums Ende August 2006 gewesen. Es gründete auf einer Anregung des ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts und Bundespräsident a.D. Herzog und wurde durch Bundesjugendministerin von der Leyen wiederholt sowie die im Zusammenhang mit der von der Kinderkommission im Deutschen Bundestag im November 2006 durchgeführten Experten-Anhörung zu diesem Thema bestätigt. Bei einer von der Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe (AGJ) im Mai 2007 durchgeführten einschlägigen Veranstaltung war schließlich von einem maßgeblichen Vertreter des Bundesjugendministeriums in Form eines fachlichen Beitrags die Aufnahme von Kinderrechten in die Verfassung begründet und auch ein entsprechender Formulierungsvorschlag für den neuen Grundgesetztext vorgelegt worden. Danach soll in Art. 2 GG der folgende Abs. 1a eingefügt werden: "Jedes Kind hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit sowie auf den Schutz vor Gefahren für sein Wohl. Die staatliche Gemeinschaft trägt für die Schaffung und Erhaltung kindgerechter Lebensverhältnisse Sorge. Das Kindeswohl leitet staatliches Handeln, das die Rechte und die Interessen von Kindern berührt." Diese Regelung enthält ein individuelles Grundrecht (Satz 1), eine Staatszielbestimmung (Satz 2) sowie eine Auslegungs- und Abwägungsregel (Satz 3) (Wiesner, S. 69). In diesem Sinne sind jetzt erstmals auf der Ebene des Deutschen Bundestages Initiativen für die Verankerung von - mehr - Kinderrechten im Grundgesetz angekündigt worden. Zunächst hatte es im Frühjahr 2007 eine unspezifische Aufforderung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an die Bundesregierung gegeben, und Anfang Oktober hat die SPD-Fraktion den Text einer Grundgesetzergänzung beschlossen, der mit dem zuvor zitierten Wortlaut nahezu identisch ist - allerdings als neuer Absatz 2 des Artikel 6 des Grundgesetzen (Schutz von Ehe und Familie) -, und nun zunächst dem großen Partner in der Koalition zur wohlwollenden Prüfung angedient. Damit steht eine parlamentarische Befassung mit einer Grundgesetzänderung auf der Grundlage eines konkreten Änderungsvorschlags bevor. Daher wird im Folgenden eine kinderpolitische Zwischenbilanz gezogen. Sie erörtert zum einen ausdrückliche und nicht angesprochene Implikationen. Und sie kann zum anderen Orientierungspunkte für den weiteren Verlauf der Beratungen setzen. Beides geschieht - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - unter fünf zentralen Aspekten. Dabei wird von dem Grundsatz ausgegangen, dass "die Forderung nach der Aufnahme besonderer Rechte des Kindes in das Grundgesetz begründungsbedürftig" (Wiesner, S. 67, kursiv: S.B.) ist. Seit langem ist nämlich unbestritten, dass Kinder uneingeschränkte Träger aller Grundrechte sind (BVerfGE 24,119, 84, 168).
Beitrag
Mehr Kinderrechte in die Verfassung?
TUP - Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit (ISSN 0342-2275), Ausgabe 1, Jahr 2008, Seite 4 - 10
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