Vor genau 35 Jahren erschien in der "Theorie und Praxis der sozialen Arbeit" (damals noch nicht einfach TUP genannt) ein Aufsatz aus meiner "Feder" mit dem Titel: "Pädagogik des Todes - Hilfe zum Sterben. Versuch über Orthothanasie im Arbeitsfeld sozialer und pflegerischer Praxis" (TUP 1974, 422-432). Weder die AWO noch auch ich selbst konnten ahnen, was sich daraus entwickelte: Ein erstes umfangreiches Forschungsprojekt, finanziert vom Ministerium für Wissenschaft und Forschung NRW - damaliger Wissenschaftsminister Johannes Rau. Ein erstes multidisziplinäres, internationales wissenschaftliches Symposium zur "Thanatologie und Thanatagogik" finanziert von der Stiftung Volkswagenwerk 1978/Die erste Palliativstation in der damaligen Bundesrepublik 1985/ Die ersten Hospizeinrichtungen in Deutschland, nämlich Aachen und Recklinghausen seit 1986/Die erste bundesweite Hospizinitiative "Omega e.V." 1985/Die neue Anti-Euthanasiebewegung seit 1989 usw., also vereinfacht ausgedrückt die Hospizbewegung für Deutschland. -- Diese Vorarbeiten zur Hospizlichkeit nahmen die sich abzeichnenden Probleme in der Altenhilfe zum Anlass, bei deren (auch finanziell) Umsetzung 1987 der damalige Staatssekretär Wolfgang Bodenbender eine wichtige Rolle spielte. Aus der Altenhilfe heraus entwickelten wir die Standards und Ideale, die wir heute mit "Hospizlichkeit" bezeichnen, aber gerade die Altenhilfe gehört heute zu den Verlierern der Entwicklung, die sich anschließend auf die Palliativmedizin mit dem Haupteinsatzgebiet Krebshilfe und auf die Kinderhospize konzentrierte. Inzwischen ist das Ringen um die Finanzen zu einem der Hauptthemen verkommen. (In der TUP 4, 2009, 287 kündigt die AWO eine "neue Abschiedkultur" in Kooperation mit dem DHPV an, indem auf 120 Pflegeeinrichtungen und 240 Pflegekräfte verwiesen wird, ohne ein Wort zu den Anforderungen von "Spiritualität" und ohne einen Hinweis auf die hospizliche Ehrenamtlichkeit.) -- Seit 1989 habe ich gegen die Euthanasieentwicklung angeschrieben, die in den Niederlanden begonnen hatte, heute hat die "Heilbehandlung durch Totmachen" mehr Bedeutung in der Öffentlichkeit und in den Medien als das Sterben in Würde und die Verwirklichung eines eigenen, individuellen Sterbens, dazu hat auch der Ruf nach gesetzlichen Regelungen zu den Patientenverfügungen beigetragen, durch welche die Menschen verführt werden (sollen), über sich selbst unter bestimmten Umständen negativ, also entwertend nachzudenken. Seit 1992 bin ich innerhalb der Palliativmedizin und Palliativpflege einer der umstrittenen Personen, weil ich damals aufgrund eingehender Untersuchungen von der Gefahr einer "Medizinisierung" des Hospizlichen gesprochen hatte. -- Ich bin auch kein Freund des amerikanisch-britischen Begriffes "Palliative Care", weil er die tatsächlich historisch gesicherte Herleitung aus der pflegerisch-sozialen "Sorge" und der Altenpflege überhaupt nicht bedenkt. Der Ausdruck "Care" entpuppt sich beim näheren Hinsehen als eine anglizistische Verballhornung eines aus deutschem sozial-pflegerischen Verständnis kommenden Handelns. Ich verwende deshalb lieber den umfassenderen und nicht so technisch klingenden Begriff der "Sorge", wie er in der "Fürsorge", "Versorgung" und "Seelsorge" noch nachklingt. Wir haben es nicht nötig, unserem Handeln durch einen englischen Namen eine höhere Weihe zu verleihen. Gemäß der griechischen Mythologie, wie sie Johann Gottfried von Herder in seinem Gedicht "Das Kind der Sorge" festhielt, ist die "Sorge" ja die Mutter der Menschen, so lange sie leben, denn sie hat die Menschen erdacht, nach ihrem Tod gehören sie der Erde, denn von ihr stammen sie stofflich ab, und sie gehören Gott, denn von ihm stammt der Lebensimpuls oder, wie wir sagen, die Seele. Diese "Sorge" ist eine Göttin, und deshalb gibt es sie nicht in der Mehrzahl. Die gezählten "Sorgen" schaffen Mühsal und vor allem Abhängigkeiten, hospizlich-palliative Sorge aber gibt Freiheit und Geborgenheit. -- Im Jahre 2007 habe ich vom "Panwitz-Blick" auch in der Palliativ- und Hospizszene gesprochen: Panwitz war einer der Selektierer an den Rampen von Auschwitz, der die Menschen "taxieren, einschätzen, ihre Kosten berechnen usw." sollte. Sein Blick hat einer bestimmten Form von einschätzendem Betrachten den Namen gegeben. Die Botschaft lautet: "Den taxierenden, ausgrenzenden Blick, durch den Krankheit mit Leiden gleichgesetzt wird, gibt es nach wie vor, man spürt ihn alltäglich. Er hat zugleich mit Macht zu tun. Der Blick teilt mich, den Angeschauten in verwertbare und wertlose Teile. Mit dem Blick fällt eine Entscheidung über und gegen mich. Das Bedrohliche ist, dass ich nicht weiß, was in dem Kopf der scheinbaren Autorität vor mir vorgeht." -- --
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Zurück zur Hospizlichkeit!
TUP - Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit (ISSN 0342-2275), Ausgabe 1, Jahr 2010, Seite 51 - 57
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