Wenn wir von Sozialer Stadt sprechen, meinen wir Beides: das gesamtstädtische Leitbild einer Bürgergesellschaft und das spezielle Bund-Länder-Gemeinden Programm Soziale Stadt für Gebiete mit besonderen sozialräumlichen Handlungsbedarf. Fast überall beobachten wir eine schleichende räumliche Segregation, das heißt das Auseinanderrücken von Teilgesellschaften einer Stadt: von Arm und Reich, von Jung und Alt, von Bürgern mit und ohne Migrationshintergrund. Unser Ziel ist demgegenüber die räumliche Durchmischung unserer Stadtteile oder Quartiere. Wir wollen keine bauliche Verwahrlosung einzelner Stadtteile, wir wollen keine Slums in Deutschland. Unser Ziel ist gutes und bezahlbares Wohnen in möglichst vielen Quartieren einer Stadt, qualifizierte Bildungsangebote in allen Stadtteilen und die Integration der Menschen mit Migrationshintergrund vor Ort, das heißt in den Stadtteilen, in denen sie wohnen. Nun gibt es Stadtquartiere, in denen zwischen dem Ist- und dem Sollzustand, zwischen den aktuellen Verhältnissen und den gesellschaftspolitischen Zielsetzungen deutliche Lücken klaffen. Das sind die Gebiete mit besonderem Handlungsbedarf, die zur Gründung des Programms Soziale Stadt geführt haben. Im Jahr 1999 ist das Programm, das sich den Stadtteilen mit besonderen räumlich-sozialen Problemen widmet, als erstes Spezialprogramm der Städtebauförderung auf den Weg gebracht worden. 10 Jahre danach - also 2009 - haben in einer Festveranstaltung die Bauminister des Start- und Jubiläumsjahrs - Franz Müntefering und Wolfgang Tiefensee - eine positive Bilanz ziehen können. Nach einer Podiumsdiskussion mit den baupolitischen Sprechern aller im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien konnte Achim Großmann, der das Programm als zuständiger Parlamentarischer Staatssekretär über die gesamte Zeit betreut hatte, noch mit Zufriedenheit feststellen, dass dieses Programm nicht nur von allen Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden, sondern auch von allen Fraktionen des Deutschen Bundestages voll unterstützt wird Umso überraschender waren die überproportionalen Einschnitte im Bundeshaushalt 2011, von 105 Mio. Euro in 2009 über 95 Mio. Euro in 2010auf 28 Mio. Euro in 2011. Sie waren verbunden mit einem weitgehenden Verbot, aus den Programmmitteln auch nichtinvestive Maßnahmen zu fördern und dem Verbot gegenüber den Ländern, Mittel aus anderen Städtebauförderungsprogrammen zugunsten des Programms Soziale Stadt umzuschichten. Die Initiative für diese Kürzungen und Einschränkungen ging nicht von Seiten der Bundesregierung aus, sondern kam aus der Mitte des Bundestages, insbesondere von Abgeordneten des kleineren Koalitionspartners aus strukturstarken ländlichen Räumen ohne städtische Gebiete mit besonderem Handlungsbedarf. Diese Kürzungen stießen bereits im Haushaltsaufstellungsverfahren auf einen breiten Protest insbesondere der Oppositionsfraktionen, der Länder - wobei Bayern besonders hervorzuheben ist - und der kommunalen Spitzenverbände. Aber auch die Partner des Wettbewerbs Soziale Stadt haben sich vehement gegen diese "Nacht-und-Nebel Aktion" ausgesprochen, was schließlich zur Gründung des Bündnisses Soziale Stadt führte. Bis heute nicht klar erkennbar sind die mit diesen Kürzungen und Auflagen verbundenen Zielsetzungen. Offenbar soll das Programm Soziale Stadt wieder auf seinen ursprünglichen investiven Ansatz zurückgeführt und durch eine stetige Absenkung der Bundesfinanzhilfen in den nächsten Jahren beendet werden. Um die dahinter stehenden Argumente nachvollziehen - nicht gutheißen - zu können, müssen wir einen kurzen Blick auf die Geschichte des Programms Soziale Stadt werfen.
Beitrag
Die soziale Stadt - eine Zukunftsvision
TUP - Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit (ISSN 0342-2275), Ausgabe 1, Jahr 2012, Seite 13 - 21
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Die soziale Stadt - eine Zukunftsvision
TUP - Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit (ISSN 0342-2275), Ausgabe 1, Jahr 2012, Seite 13 - 21
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Beltz Juventa