Das Sterben von Menschen ohne festen Wohnsitz, die umgangssprachlich oftmals als "Obdachlose" bezeichnet werden, wird in der Öffentlichkeit in aller Regel nur dann wahrgenommen, wenn es sich um einen dramatischen Unglücksfall oder gar um ein Verbrechen handelt, das zum Tod dieser Menschen geführt hat. Von Interesse ist dann vor allem der Ausnahmefall des Sterbens, dessen Umstände z.B. durch Gewalteinwirkung anderer als besonders menschenunwürdig erscheint. Der in den Berichterstattungen der Medien dabei vorherrschende, oftmals ans Reißerische grenzende Stil befriedigt die Neugier der Leser und Leserinnen und schafft zugleich Distanz zum Schicksal der Verstorbenen, weil jeder sich des Ausnahmecharakters der geschilderten Situation bewusst ist. Aus dieser Distanz heraus kann man die persönliche Betroffenheit über den Tod dieser Menschen artikulieren, ohne sich direkt mit dem Sterben oder der Lebenssituation von Menschen ohne festen Wohnsitz auseinander setzen zu müssen. Dies hängt mit zwei Gründen zusammen: Zum einen befinden sich wohnungslose Menschen im Blick auf ihren Lebensunterhalt und ihre Wohnsituation außerhalb der sozialen Normen, die von einem großen Teil der Menschen in der Gesellschaft akzeptiert und befolgt werden. Zum anderen partizipiert das Phänomen Sterben an dem gesellschaftlich ambivalenten Umgang mit dem Tod: Einerseits wird der Tod in der Öffentlichkeit verdrängt, andererseits ist gerade in den letzten Jahren der Tod von prominenten Menschen zu einem medialen, öffentlichen Ereignis geworden. Dabei geht es nicht mehr nur um das Faktum des Todes und der Todesumstände: Allen Appellen zum Trotz zeigte z.B. ein Fernsehsender in Großbritannien erstmals Bilder der sterbenden Prinzessin Diana. Ebenso dürften vielen Menschen noch die Fernsehbilder vom Sterbeprozess des Papstes Johannes Paul II. in Erinnerung sein. Das Sterben eines Menschen ist in den medialen Fokus gerückt und bewirkt ein öffentliches Interesse auch an dem Sterbeereignis von öffentlich bislang wenig beachteten Personengruppen. Zu diesen gehören Menschen ohne festen Wohnsitz, über deren Sterben in der Öffentlichkeit jüngst mittels einer Broschüre der Wohnungslosenhilfe berichtet wurde (Regionaler Knoten Hamburg 2011). -- Das Sterben von Menschen ohne festen Wohnsitz soll in diesem Beitrag in vier Schritten dargestellt werden: Zunächst wird im ersten Abschnitt die Verdrängung des Todes im öffentlichen Raum anhand soziologischer Ansätze skizziert, um den Hintergrund zur Nicht-Thematisierung des Sterbens deutlich zu machen. Die Gründe der Wohnungslosigkeit und entsprechende Hilfeansätze werden im zweiten Abschnitt bei der Beschreibung der Lebenslage wohnungsloser Menschen in den Blick genommen. Gerade die schlechte gesundheitliche Versorgung von Menschen ohne festen Wohnsitz hat beträchtlichen Einfluss auf ihren Sterbeprozess. Die spärlichen Befunde hierzu werden in Abschnitt drei vorgestellt. In den letzten Jahren ist man dazu übergegangen, öffentliche Bestattungen von verstorbenen Personen ohne festen Wohnsitz würdevoller zu gestalten. Der vierte Abschnitt nennt Mindeststandards für solche Versuche, das Leben und Sterben der Verstorbenen zu ehren und öffentlich wahrnehmbar zu machen. --
Beitrag
Verarmt, verscharrt, vergessen?
TUP - Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit (ISSN 0342-2275), Ausgabe 2, Jahr 2012, Seite 92 - 99
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