Während die Akteure der Sozialen Arbeit die kommunalen Lebensbedingungen von Familien im Rahmen der fallunspezifischen Arbeit schon lange im Blick haben, ist Familienpolitik aus kommunalpolitischer Perspektive ein noch recht junges Politikfeld. Noch Ende der 1990er Jahre ist beispielsweise ein kommunalpolitisches Standardwerk von Wollmann/Roth (1998) erschienen, in dem Familienpolitik, im Gegensatz zu Kinder-/Jugend-, Alten- und Frauenpolitik, nicht als eigenständiges Aufgabenfeld der Kommune behandelt wurde. In den letzten Jahren ist Familienpolitik jedoch über alle parteipolitischen Grenzen und Kommunen-Typen hinweg ein wichtiges kommunales Thema geworden. Einige Kommunen betrachten Familienpolitik mittlerweile sogar als Standortfaktor (vgl. Bertelsmann Stiftung 2005). Auslöser dieser Entwicklung waren und sind die immer deutlicher werdenden Konsequenzen des demografischen Wandels und die teilweise extrem ansteigenden Kosten im Kinder- und Jugendhilfebereich. -- Aktuell steht im Mittelpunkt der auf der kommunalen Ebene geführten Diskussion die Frage, wie eine passgenaue und von den Menschen vor Ort auch wahrgenommene Familienpolitik konkret gestaltet werden kann. Zwar muss jeder Kreis, jede Stadt und jede Gemeinde eigene thematische Schwerpunkte setzen, eigene Strategien entwickeln und bezogen darauf die passenden Instrumente einsetzen. Unabhängig davon kann man jedoch Empfehlungen formulieren, die grundsätzlich in jeder Kommune von Bedeutung sind. Hierzu gehören klare und verlässliche Strukturen und Zuständigkeiten, breite Akteursbündnisse in der Verwaltung und mit externen Akteuren, ausreichendes Wissen über die Lebensbedingungen und Bedarfe der Familien sowie deren Beteiligung im Prozess der Planung und Umsetzung von familienpolitischen Maßnahmen (Schultz u.a. 2009). -- Darüber, ob und inwieweit diese Empfehlungen bei der Gestaltung von Familienpolitik in den Kommunen berücksichtigt werden, lagen bislang keine repräsentativen Daten vor. Für Nordrhein-Westfalen sind entsprechende Aussagen nun möglich. Im Rahmen der Studie "Kommunalverwaltung und Familienpolitik in Nordrhein-Westfalen" wurden im November 2009 alle 427 Kommunen in NRW zum Umsetzungsstand kommunaler Familienpolitik befragt. 47 Prozent der Kommunen haben geantwortet. Der für die Analysen verwendete Datensatz umfasst damit 202 Kommunen. Da es sich um eine Vollerhebung handelt und der Rücklauf sowohl bezogen auf die vier Gebietskörperschaftstypen als auch bezogen auf die Größe der Kommunen in seiner Zusammensetzung in einem hohen Maße der tatsächlichen Verteilung der Kommunen in NRW entspricht, sind die Ergebnisse repräsentativ für dieses Bundesland. Es kann davon ausgegangen werden, dass viele der Ergebnisse auf andere Bundesländer übertragbar sind. -- Die folgenden Ausführungen zum Implementationsstand kommunaler Familienpolitik in Nordrhein-Westfalen orientieren sich an den vier genannten Empfehlungen. In einem ersten Schritt wird mit Blick auf die "Strukturqualität" kommunaler Familienpolitik skizziert, wo Familienpolitik in den kommunalen Verwaltungen angesiedelt ist und welche strukturellen Voraussetzungen für ein koordiniertes Vorgehen vorhanden sind. In einem zweiten Schritt werden als Kennzeichen der "Prozessqualität" die vorhandenen Kooperationsbeziehungen innerhalb der Verwaltung und zwischen den kommunalen und verwaltungsexternen Akteuren beschrieben. Abschließend wird in einem dritten und vierten Schritt dargestellt, inwieweit das Instrument der Familienberichterstattung bei der Beschaffung von Wissen über die Lebensbedingungen von Familien in den jeweiligen Kommunen eingesetzt wird und welche Rolle die Familien selbst bei der Planung einer bedarfsorientierten Familienpolitik spielen. Beides ist mit Blick auf die Passgenauigkeit von Familienpolitik von großer Bedeutung und gibt wichtige Aufschlüsse über die "Ergebnisqualität". --
Beitrag
Zum Stand der kommunalen Familienpolitik
TUP - Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit (ISSN 0342-2275), Ausgabe 3, Jahr 2012, Seite 199 - 209
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TUP - Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit (ISSN 0342-2275), Ausgabe 3, Jahr 2012, Seite 199 - 209
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0342-2275
Beltz Juventa
Angelika Engelbert / Holger Wunderlich