Diskursanalyse und (Post)Kolonialismus als Gegenstände eines Themenheftes der Zeitschrift für Diskursforschung zu behandeln, bedeutet mancherlei. Zunächst heben wir hervor, dass es einen deutlich benannten Widerspruch gegen eine an Foucault orientierte Analyse gesellschaftlicher Sagbarkeitsbedingungen im Kontext von Rassismus, Sklaverei und damit auch Kolonialismus gibt, den prominent Saidiya Hartman erhoben hat, wenn sie feststellt, dass Foucaults Machtanalyse irrtümlicherweise von einem grundsätzlichen Spielraum auch Unterworfener in Herrschaftsverhältnissen ausgeht. Hartmann rückt dabei Machstrukturen der Sklaverei in den Fokus. Das Problem eines Foucaultschen Ansatzes sei es, "that it assumes that all forms of power are normatively equivalent, without distinguishing between violence, domination, force, legitimation, hegemony, et cetera" (Hartman 1997, S. 54 f.). Sklaverei sei im Gegensatz charakterisiert "by direct and simple forms of domination, the brutal asymmetry of power, the regular exercise of violence, and the denial of liberty that make it difficult, if not impossible, to direct one´s own conduct, let alone the conduct of others" (ebd., S. 55).
Wir sehen hier Foucault als weißen, europäischen Intellektuellen und trotz, vielleicht sogar gerade infolge seiner nicht heteronormativen, männlichen Position als jemanden, der aus dem Zentrum einer ehemaligen Kolonialmacht über Sklaverei spricht und dabei Wesentliches übersieht. Foucaults Autorität lässt sich in kritischer Perspektive schnell in ein Licht rücken, das im Kontext verbreiteter sozial- und auch geisteswissenschaftlicher Bewunderungshaltungen erstaunen mag. Nehmen wir etwa die Linguistik als geisteswissenschaftliche Disziplin - und aus dieser Wissenschaft heraus sprechen wir - dann galt die Beschäftigung mit und die Inspiration durch Foucault lange Zeit als marginal, erst seit den späteren 1990er-Jahren hat sich das Fach zunehmend an Foucault orientiert und seine text- und gesprächsorientierten Gegenstände um Fragen zu epistemischen Ordnungen erweitert und nach und nach als Teil der eignen Disziplin verstanden. Dies war nicht unbedingt immer der Einsicht in eine entsprechende Notwendigkeit geschuldet, sondern auch Folge eines Generationenwechsels an den Schaltstellen des Feldes. Aus einem solchen Fach heraus - das sich mit Verweis auf Foucault neu aufgestellt hat - ausgerechnet die Errungenschaften und wesentlichen Weiterungen einer Diskurslinguistik durch postkoloniale Fragestellungen in Zweifel zu ziehen oder neu zu kontextualisieren, bedeutet auch, eigene und lieb gewonnene Positionen in Frage stellen zu müssen oder zu wollen.
Beitrag
Die Analyse (post)kolonialer Diskurse?
Zeitschrift für Diskursforschung (ISSN 2195-867X), Ausgabe 03, Jahr 2016, Seite 216 - 221
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Beltz Juventa
Ingo Warnke / Daniel Schmidt-Brücken