Zusammenfassung: Die Theorie temporalisierter, selbstreferentiell geschlossener Systeme beruht auf der Annahme einer "radikalen Verzeitlichung" von deren Elementen: als Ereignisse. Aus der selektiven Verknüpfung dieser Elemente entwickeln soziale Systeme ihren Ordnungsaufbau. Diese Ereignistemporalität legt eine Unterscheidung der Zeit im Vorher und Nachher nahe und kann als sequentielle Verkettung aneinander anschlussfähiger Elemente beobachtet werden. In der Theorie autopoietischer Systeme findet diese Berücksichtigung diachroner Zeitlichkeit eine prägnante Fassung. Quer zu dieser diachronen liegt jedoch die synchrone Betrachtung: die der Gleichzeitigkeit. Diese findet im späteren Werk Luhmanns vermehrt Beachtung und betont die aus der Gleichzeitigkeit resultierenden Probleme der Unkontrollierbarkeit des gleichzeitigen Geschehens. Daraus ergibt sich das Problem der Vermittlung simultaner Ereignisreihen mit der sequentiell operierenden Zeitlichkeit der Autopoiesis. Der Beitrag rekonstruiert einerseits die Berücksichtigung diachroner und synchroner Zeitlichkeit im werkgeschichtlichen Kontext und behandelt andererseits die unterschiedlichen Formen und Möglichkeiten ihrer Vermittlung und Synchronisation in verschiedenen Typen von sozialen Systemen: Interkationen, Organisationen und Gesellschaft. Die Problemstellung der Synchronisation (neuerlich) zu fokussieren scheint angebracht, weil sie im aktuellen systemtheoretischen Debattenstand mit Echtzeitrhetorik ‚überspielt´ und in soziologischen Zeitdiagnosen (Stichwort: Beschleunigung) theoretisch unzureichend durchdrungen wird. Gerade aus der Kombination diachroner und synchroner Betrachtung von Zeitlichkeit erwarten wir jedoch wichtige Anregungen für die empirische Forschung und ein tiefenschärferes Verständnis der Zeitverhältnisse in der Gesellschaft.
Schlagwörter: Soziale Systeme, soziale Zeit, Diachronie, Synchronie, Gleichzeitigkeit, Synchronisation
A-/Synchronicity and Synchronisation - The Relationship between Diachrony and Synchrony in Social Systems Theory
Abstract: The theory of temporalised, self-referentially closed systems is based on the premise that these social systems radically temporalise their elements as events. Such autopoietic social systems selectively connect suitable elements, observe these elements/events using the distinction between "before"/"after", and order them into sequences. Thus an event-based systemic temporal order evolves. This diachronic temporality is articulated concisely in Luhmanns´ theory of autopoietic social systems. Across (or beside) this diachronic perspective on time (other) events take place simultaneously, making a synchronic time perspective necessary. The latter is a focus of Luhmann´s later work, which drew attention to the problems raised by the impossibility of controlling simultaneous occurrences. Hence the question is posed, how the diachronicity of autopoietic processes is synchronized with simultaneity. This article reconstructs how diachronicity and synchronicity are taken into account within Luhmann´s work. It analyses the ways and forms of synchronizing/mediating diachronicity and simultaneity in different types of social systems (interactions, organizations, and societies). To focus anew on the problem of synchronization seems appropriate because in the current debates on social time (in systems theory), this is either dissimulated by a rhetoric of ´real time´ or simplified (by the thesis of social acceleration) as a-/synchronicity of different speeds. This paper argues that a systematic combination of diachronic and synchronic perspectives on social time and temporality may inspire empirical research as well as deepen the theoretical analysis of social time and temporality in modern society.
Keywords: Systems theory, social time, diachronicity, synchronicity, synchronization, simultaneity
Beitrag
Un-/Gleichzeitigkeit und Synchronisation
ZTS Zeitschrift für Theoretische Soziologie (ISSN 2195-0695), Ausgabe 02, Jahr 2014, Seite 172 - 219
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Un-/Gleichzeitigkeit und Synchronisation
ZTS Zeitschrift für Theoretische Soziologie (ISSN 2195-0695), Ausgabe 02, Jahr 2014, Seite 172 - 219
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2195-0695
Beltz Juventa
Hanns-Georg Brose / Dennis Kirschsieper