Mareike Krügels Kinderbuch »Almuth und der Hühnersommer« erhält ein Kranichsteiner Kinderliteratur-Stipendium 2024.
Die Jury meint:
»Almuth hängt gern kopfüber an der Reckstange. Erstens will sie einen Knie-Sonnenbrand züchten, zweitens sieht die Welt dann ganz anders aus und das ist gut, denn Almuths Leben steht Kopf, seit ihr kleiner Bruder schwer erkrankt und die Familie aus Berlin aufs Land gezogen ist. Hier hängt Almuth mit den Hühnern des betagten Nachbarn ab und geht ihrer Leidenschaft nach: zu retten, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. So weit, so witzig. Der Grund dafür ist schon ernster. ›Der Tod und ich, wir konnten uns nicht leiden‹, sagt Almuth. Dass das Leben lebensgefährlich sein kann, weiß sie. Und hält mit Missionen dagegen. Das ist von Mareike Krügel abenteuerlustig und nachdenklich, situationskomisch, berührend und souverän sprachspielerisch erzählt. Ihr Talent fürs Schräge, ihr Gespür für Kinderlogik und Kinderempfinden schaffen Szenen, die als Metapher taugen: Dass Almuths neuer Freund zum Angeln am fischleeren See sitzt, nur um seiner Helikopter-Mutter zu entkommen, ist eine davon. Zwischen zu viel (Für-)Sorge und zu wenig, zwischen Überbehütung und Übersehen wird ein roter fliegender Teppich der Beziehungen, Erfahrungen und Figuren ausgerollt und bewiesen: Auch Geschichten können retten. Mutlosigkeit? Wehmut? Almuth her!«
David Blum erhält für seinen Debütroman »Kollektorgang« ein Kranichsteiner Jugendliteratur-Stipendium 2024.
In der Jurybegründung heißt es:
»Jeder Roman hat ein eigenes Einfallstor. Im Debüt von David Blum ist das ein unterirdisches, weit verzweigtes Labyrinth aus Rohrleitungen: Den ›Kollektorgang‹ erobern eine Handvoll Jugendlicher als ihren Frei-Raum. Er wird zum Tatort werden. Ich-Erzähler Mario ist keine 14 Jahre, als ihm ein Messer in den Bauch gerammt wird. Fortan hockt er auf seinem Grabstein und lässt die Ereignisse Revue passieren. Er erzählt von der Perspektivlosigkeit der Platten der 1990er-Jahre. Von Nicki und seiner Neonazi-Gang. Von Rajko und dessen Schwester Ema, die flüchten mussten. Mit Rajko freundet Mario sich an, in Ema wird er sich verlieben. Schlagfertig, wortkarg, poetisch ist Erzählen hier Einkreisen. Als solle das Labyrinth auch schreibend nachempfunden werden, läuft alles auf einen finalen Boxkampf zu: Nicki gegen Rajko. Rajko wird fast gewinnen. Mario wird sterben. Doch das ist nicht das Ende. In einer Art P.S. erinnert der Autor an den Faustkämpfer Rukeli Trollmann, der 1944 von den Nazis ermordet wurde. Er schreibt über Kontinuität rechter Gewalt, er schreibt gegen Hass und Fremdenhass an. Herausgekommen ist ein herausragend-›unterirdisches‹, hochaktuelles Porträt der Jugend zur Nachwendezeit.«
Über die Kranichsteiner Stipendien:
Die Kranichsteiner Jugendliteratur-Stipendien werden seit 2010 jährlich vom Deutschen Literaturfonds und vom AKJ vergeben. Sie sind gedacht für Autor:innen von Kinder- und Jugendbüchern, die bereits erste überzeugende Titel veröffentlicht haben und eine positive literarische Entwicklung erkennen lassen, sich aber bisher keine starke Marktposition erarbeiten konnten. Seit 2021 werden analog zu den Jugendliteratur-Stipendien zwei zusätzliche Kinderliteratur-Stipendien vergeben. Alle vier Stipendien sind von sechsmonatiger Dauer und seit 2021 jeweils mit 18.000 Euro dotiert. Der Jury zu den Kranichsteiner Kinder- und Jugendliteratur-Stipendien 2024 gehören an: Christine Knödler (Freie Journalistin), Prof. Dr. Iris Kruse (Vorsitzende der Kritikerjury 2024) und Ralf Schweikart (AKJ-Vorsitzender).
Auf der Leipziger Buchmesse stellte Jurymitglied Christine Knödler die vier Nachwuchstalente vor: Im Gespräch erzählen sie von ihrer Arbeit und lesen aus ihren ausgezeichneten Werken. Hier gibt es die Veranstaltung zum Nachschauen.