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Donnerstag, 21. September 2023

Acht Arme und eine coole Schnauze zum Lesenlernen


Bücher für Erstleser sind mehr als Buchstaben-Räume, um Lesetechniken zu trainieren. Sie sind der Beginn unserer Lesezukunft. Als Autorin fühle ich eine besondere Verantwortung, wenn ich für Leseanfänger schreibe. Der »Lust auf Lesen«-Charakter, Oktopus Calamari, taucht daher mit uns in eine sonnige Ferienwelt ein und hat vieles mit den Kindern gemeinsam: Er ist lustig, neugierig und will richtig gut lesen und schreiben lernen.

Laut der IGLU-Studie (Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung 2021) sinkt die Lesekompetenz der Viertklässler in Deutschland immer weiter. Das sind beunruhigende Neuigkeiten für uns alle. Ohne Lesen verkümmert der Wortschatz und ein gutes Verständnis für Texte und Zusammenhänge fehlt mehr und mehr. Eine leseleere Welt führt zu einer chancenarmen Zukunft.

Am Anfang ist die Idee

Ungeeignete Geschichten für Leseanfänger halte ich für verschenkte Chancen. Jedes Erstlesebuch sollte neben der passenden Szenerie und Sprache auch Attribute haben, die sich auch geübte Leser wünschen: Spannend, lustig, bildend und kurzweilig. Diesen Anspruch habe ich unbedingt als Autorin an meine Geschichten.

Was am Anfang eines Buchprojektes steht, ist die Idee. So auch bei meinen »Lust auf Lesen«-Büchern.

Calamari zum Beispiel entstand aus einer herbstlichen Sehnsucht nach Sonne, Strand und Meer. Das war der Ausgangspunkt: Ich dachte an einen Urlaub in Sizilien zurück. Beim morgendlichen Schnorcheln hatte mich zwischen den Steinen einer kleinen Bucht zwei Augen angesehen. Ängstlich, neugierig und auch ein bisschen trotzig. Ein kleiner Oktopus. Sekundenlang sahen wir uns an (bevor er blitzschnell abhaute). Ich hätte nie gedacht, dass so ein kleines Tintenfischchen schauen kann wie ein Hundewelpen. Ich muss gestehen, dass diese Tiere früher hin und wieder frittiert auf meinem Teller lagen. Das ist aber für immer vorbei. Ich las ein bisschen was über die achtarmigen Wesen und sah mir auch Dokumentationen an. Diese Tiere sind faszinierend und sehr intelligent. Sie haben drei Herzen, neun Gehirne und acht Arme. Das klang für mich nach viel mehr Möglichkeiten als wir Menschen haben. Daraus wollte ich einen neuen Charakter kreieren.

Zeitnah hörte ich eine berührende Geschichte in den Nachrichten. Ein kleines Mädchen war in Griechenland auf dem Rücken eines aufblasbaren Einhorns auf das offene Meer getrieben. Das Mädchen wurde von der Besatzung einer Fähre gerettet.  Die Calamari-Idee ploppte bei mir auf: Ein kleiner Oktopus fischt ein Kind aus dem Meer. Daraus wird Freundschaft und eine coole gemeinsame Aktion.

Gute Klänge lesen sich besser

Ich schrieb erst einmal darauf los, so wie ich es immer mache, wenn eine Idee raus will. Der Text war im ersten Entwurf doppelt so lang wie er sein sollte. Dann flog die Hälfte raus. Die Sätze wurden möglichst kurz, damit lange Phrasen nicht zu Lesehürden werden. Ausufernde Beschreibungen strich ich und packte viel direkte Rede rein. Dialoge machen Texte lebendig und man könnte das Buch so auch als Rollenspiel lesen. Dazu muss der Text auch gut klingen. Häufig lese ich den Text beim Schreiben laut vor. Die Worte sollen schön klingen und sich angenehm vorlesen lassen. Ca-la-ma-ri, vier Silben, vier Vokale. So einen Namen zu lesen ist lustig und motiviert. Calamari ist ein langes Wort mit einer guten Wiedererkennung. »Flotte Muschel, Monsterwelle, Algensalat, Tutti-Frutti, Doktor Spirelli.« Das sind Wortkreationen, die mir beim Vorlesen gefallen und hoffentlich auch den Kindern Spaß machen. Auch denke ich beim Schreiben bereits in Bildern.

Die Reihe Lust auf Lesen ist so konzipiert, dass die Bilder in manchen Passagen den Text weitererzählen. Das war auch der Ausgangspunkt für die Zusammenarbeit mit der Illustratorin Lena Ellermann. Sie hat Calamari so schön bunt und umfangreich illustriert.

Bilder, die den Text gut aufgreifen, sind so wichtig für die Kinder. Sie schaffen Bilderpausen zum Entdecken. Das ist für Erstleser eine perfekte Mischung.

Schule mit Henriette

Auch in meinen beiden anderen Lust auf Lesen-Büchern ist die Hauptfigur ein Tier. Das hat zwei einfache Gründe: Kinder mögen Tiere und ich auch. Und da alle Kinder beim Thema Schule mitreden können, ist Henriette eine Schulhündin geworden. Zumal ich erfahren habe, dass Hunde einen erstaunlich positiven Einfluss auf die Lesefähigkeiten von Kindern haben. 

Als hochmotivierte, vierbeinige Lehrerin ist Henriette eine gute Ergänzung zum Klassenlehrer Eddy. Eddy ist chaotisch, manchmal ein bisschen zu nett. Er hat ein großes Herz für Kinder und Tiere, außerdem ein Problem. Er stottert. Das darf doch eigentlich nicht sein, oder? Doch. Eddy ist der beste Lehrer der Welt, findet Henriette und akzeptiert jede Persönlichkeit wie sie ist. Das ist echte Integration! Superhelden gibt es in dem Buch keine. Die Charaktere haben, so wie wir alle, Stärken und Schwächen.

Gemeinsam mit Eddy, dem hochbegabten Riesenschneck Toni und Henriette sind sie eine Einheit gegen die schroffe Rektorin Klappeisen. Die kann weder Tiere noch Kinder leiden, was immer wieder auf Lesungen zu wunderbaren Diskussionen führt.  »Die soll doch lieber zuhause bleiben!«, finden die Kinder. Meistens sind sie dann froh, dass die eigene Schulleitung viel netter ist.

Die Klappeisen ist ungerecht und muss daher von Henriette und Eddy häufig korrigiert werden. Aber selbst für die Rektorin hat die Schulhündin Verständnis. Wer bellt hat Angst, weiß Henriette, und muss noch viel lernen!

Geheimbotschaften

Toni, der stumme Riesenschneck, kann Botschaften aus Schneckenschleim an Wand und Tafel schreiben. Das ist die einzige Möglichkeit für Toni zu kommunizieren. Diese Botschaften im Buch zu entdecken und zu lesen, machen den Kindern immer Spaß. Bei meinen Lesungen zeige ich gerne die Illustrationen (von Stefanie Jeschke) über einen Beamer, so dass die Kinder, LehrerInnen und ich eine Grundlage zum Entdecken, gemeinsamen Lesen und Diskutieren haben.

Gemeinsam Lesen

Eine Schulklasse bildet mit der oder dem LehrerIn ein Team. In einem gut eingespielten Team lässt sich am besten lesen lernen. Das erlebe ich immer wieder, wenn ich als Autorin in Schulen eingeladen werde. Stimmt das Lehrer-Schüler-Team, stimmt die Atmosphäre, stimmt auch das Zuhören, Mitmachen und der kreative Output. Sind die LehrerInnen konzentrierte ZuhörerInnen, sind es die Kinder auch. Dann entstehen die besten Ideen auf Grundlage des Textes. Die Geschichte inspiriert die Kinder zu neuen Gedanken. Das gilt auch für Zuhause. Leseanfänger brauchen lesende Vorbilder und Erwachsene, die gemeinsam mit ihnen in die Geschichten eintauchen und wertschätzend und konzentriert mit Büchern umgehen.

»Was wäre euer liebstes Schultier und was könnte euer Schultier für Abenteuer erleben?«, frage ich die Kinder häufig. Und schon geht’s los: »Schulelefant, Schultiger, Schulameise oder Schulschwein!«

Schulschwein? Wie cool!, denke ich und lasse die Kleinen erzählen, wie das Schulschwein grunzend zwischen den Ranzen und unter den Bänken nach Vesperbroten sucht, Stühle umwirft und vielleicht an Frau Klappeisens Schuhen knabbert.