Pressemeldung

Dienstag, 28. Januar 2025

Was wäre, wenn das Patriarchat in Therapie gehen würde?

Soziologin Katharina Linnepe über Sitzungen mit unserem kranken Gesellschaftssystem

Liebe Katharina Linnepe, in Deinem Buch schickst du das Patriarchat in Therapie. Wie bist Du darauf gekommen?
Ich beschäftige mich sowohl wegen meines gesellschaftswissenschaftlichen Studiums als auch als Comedienne gerne mit der Frage, was mit unserer Welt schiefläuft. Oftmals wird uns ja eingeredet, dass wir nur hart an uns selbst arbeiten müssten und dann wird alles gut. Psychotherapie, Coaching, Selbstoptimierung – unser Mindset sei entscheidend, und wenn es nicht rund läuft, seien wir schuld. Irgendwann habe ich mich gefragt: Ist das so? Können wir gesellschaftspolitische Missstände wie Gender Gaps und geschlechtsspezifische Gewalt wegmeditieren? Wer von uns hat denn eigentlich den Knacks – wir oder unsere Gesellschaftsordnung? Alleine die Frage fühlte sich ziemlich entlastend an, und dann entstand daraus ein Satire-Video, später eine ganze Instagram-Serie – und nun ein Buch.

 

Was würde denn passieren, wenn das Patriarchat eine Psychotherapie machen würde?
Könnte das Patriarchat sprechen und sich dazu entschließen, eine therapeutische Praxis aufzusuchen, würden jede Menge Persönlichkeitsstörungen und ziemliche Abgründe zum Vorschein kommen. Darüber, wie es sich selbst als Herrschaftssystem, uns als Mitspielende und unser Miteinander sieht. Wobei Miteinander nicht ganz richtig ist: Das Patriarchat funktioniert nur, wenn wir uns gegeneinander verhalten. Spaltung der (Mit-)Menschlichkeit ist sein Modus operandi. Dafür bedient es sich einem herzhaften Allerlei aus Lügen über die Welt und uns Selbst, einem vielfältigen Gewaltfetisch sowie unmenschlichem Leistungsdruck und angeblich »natürlichen« Rollenerwartungen an das Individuum. Damit entlarvt sich das Patriarchat auf der Therapiecouch als soziale Ordnung, die erstaunlich unsozial ist.

 

Was lernen wir in Deinem Buch?
Wie wir das Patriarchat in uns und um uns herum durch Zurücklehnen, Fragenstellen und Notizenmachen immer wieder enttarnen und dekonstruieren können. Und warum das nötig ist, damit wir uns um unsere Seelen in einer krisen- und katastrophengeschüttelten Welt sorgen können. Außerdem können wir uns selbst der Frage stellen: Wie geht es mit dem Patriarchat und uns nach dem Therapieexperiment weiter? Die Rolle als Gegenüber unseres Gesellschaftssystems einzunehmen, bedeutet nämlich ziemliche Selbstermächtigung. Wir können entscheiden, ob wir mit dem Patriarchat auf unserer Couch wirklich weiterarbeiten oder – gemeinsam – etwas Neues entstehen lassen wollen, das uns allen gerecht wird und guttut.