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Donnerstag, 21. Juli 2022

»Wir sollten selbst genau die Beziehung leben, die wir auch unseren Kindern wünschen.«

Romy Winter im Gespräch über ihr die Paarbeziehung, Attachment Partnering und ihr neues Buch

Liebe Romy, du hast den Begriff Attachment Partnering entwickelt. Was meinst du damit?

Attachment Partnering übertragt die wertschätzungs- und beziehungsorientierte Haltung einer bedürfnisorientierten Elternschaft (Attachment Parenting) auch auf die Paarbeziehung. Der Begriff versteht Eltern als Team, die ihre erwachsene Liebe wieder ins Zentrum der Familie rücken. Im Wesentlichen geht es dabei darum, sich der eigenen Bedürfnisse und denen des Partners oder der Partnerin bewusst zu werden und sich bei der Erfüllung gegenseitig zu unterstützen. Und nein, das ist nicht rabenelterlich, sondern verantwortungsbewusst.
Wir sollten selbst genau die Beziehung leben, die wir auch unseren Kindern wünschen. Denn Kinder werden nicht in einer Eltern-Kind-Blase sozialisiert, sondern in einer Familie. Eins der besten Dinge, die Eltern für ihre Kinder tun können, ist, sich um ihre Beziehung zu kümmern. Sie ist nicht nur die Modellbeziehung für unsere Kinder, nein, sie ist bestenfalls auch unsere größte Kraftquelle. Sie ist das Herz der Familie.
 

In Deinem Buch finden wir viele Übungen, Reflexionsfragen und Impulse für Eltern. Hast Du eine Lieblingsübung für zwischendurch?

Das Buch beinhaltet wirklich viele Reflexionsfragen, Impulse und Übungen die so konzipiert sind, dass einige sofort umsetzbar sind — und auch einen sofortigen Effekt haben — und andere dazu einladen, etwas tiefer in die Reflexion und Veränderung zu gehen. Eine meiner Lieblingsübungen zum Bindungsaufbau ist super einfach und super wirksam, aber leider auch super unterschätzt, weshalb Paare im Alltagstrott meist daran sparen. Mehrmalige längere Umarmungen und Küsse täglich führen zur Ausschüttung des Kuschel- und Bindungshormons Oxytocin und das fördert die Verbundenheit und Zugewandtheit und letztlich auch die Beziehungsqualität. Oft ist nämlich die Abwesenheit solch inniger Momente viel problematischer als die Anwesenheit von Konflikten.
Ein weiterer Tipp zum sofortigen Anwenden: Den Fokus verändern! Unsere Wahrnehmung folgt unserer Erwartung. Je nachdem worauf wir sie lenken, werden wir uns in der Regel selbst bestätigen. Wenn ich also spüre, dass ich gegenüber dem anderen in einem defizitären Motzmodus bin, dann kann ich meinen Fokus wie bei einer Kamera auf einen anderen Bildausschnitt, eine andere Szene oder ein anderes Motiv lenken. Dann liegt der Zahnpastadeckel vielleicht immer noch neben der Tube, aber ich habe auch (wieder) einen Blick dafür, wie liebevoll und geduldig er/sie die Zähne der Kinder putzt.
 

Für wen hast Du das Buch geschrieben?

Für alle Eltern, die im turbulenten Familienalltag manchmal die eigenen Bedürfnisse und die Paarbeziehung aus den Augen verlieren. In meiner Praxis begegnen mir viele Elternpaare mit sehr individuellen Themen und dennoch sind sich alle Probleme im Kern sehr ähnlich und gehen auf unerfüllte Bedürfnisse, die Abwesenheit von Exklusivität und unreflektierte Beziehungsdynamiken zurück. Was brauche ich? Was brauchst du? Was braucht unsere Liebe? Mein Buch möchte hier Licht ins Dunkel bringen und Mut machen, die Durststrecke der Elternschaft zu überstehen. Gleichzeitig werden die Leser:innen feststellen, dass sie dieser herausfordernden Zeit einer jeden Paarbeziehung nicht einflusslos ausgeliefert sind und die Veränderungen der Elternliebe ganz aktiv gestalten und daran wachsen können.