Liebe Saskia, die Einschulung ist nicht nur für die Kinder, sondern auch für die Eltern ein großer Schritt. Warum fällt das Loslassen so schwer?
Das ist ein Zusammenspiel verschiedener Komponenten. Zuerst einmal sind Eltern selbst mal durch dieses Schulsystem gegangen. Und nicht immer haben sie daran positive Erinnerungen. Sie wissen um die Tücken von Noten, Bewertung und Leistungsdruck, hatten vielleicht nicht nur mit fairen Lehrkräften zu tun und kennen die Anstrengung gut, die mit einem langen Schultag verbunden ist. Und da wird ihnen verständlicherweise etwas mulmig, wenn sie daran denken, dass nun ihr im Grunde ja noch wirklich junges Kind durch diese Türen verschwinden soll.
Gleichzeitig kommt mit der Einschulung auch eine neue Distanz hinzu. Natürlich bedeutet auch der Kindergarten schon eine elterliche Trennung. Loslassen ist ja zum Zeitpunkt des Schulstart nicht etwas komplett Neues für Kind und Eltern.
Das Loslassen beginnt schon mit dem Kindergarten. Gehen Eltern damit anders um?
Ja, der Kindergarten hat oft noch eine andere Nähe. Ein schnelles Gespräch mit den Erzieher*innen, ein vertrautes Gefühl in den Räumen, die man zum Abholen täglich betritt. Viele Eltern beschleicht ein diffuses Ohnmachtsgefühl, wenn sie dann an Schule denken. Sie befürchten, dann »gar nichts mehr mitzubekommen« und keinerlei Einfluss mehr auf diesen so wichtigen Lebensbereich ihres Kindes zu haben.
Wenn dann auch noch Kommentare im Spielplatzfunk »Was, ihr bekommt Frau Helmig? Viel Spaß, die setzt hohe Ansprüche«, verunsichernde Kommentare in der Schuleingangsuntersuchung oder möglicherweise etwas eigensinnige Charakterzüge des Kindes hinzukommen, ist das Sorgenkarussell perfekt. Der Schulstart und das vertrauensvolle Loslassen werden zur elterlichen Zitterpartie.
Wie erkenne ich, ob mein Kind bereit ist für die Schulzeit?
Ich weiß als Mutter sehr gut darum, was wir gäben, um eine verlässliche Glaskugel an unserer Seite zu haben. Die uns nur mal einen Augenblick in die Zukunft blicken lässt und uns versichert, dass unser Kind soweit ist. Dass es alles hat, was es braucht, um gut in der Schule anzukommen. Etwas, das uns sagt: »Alles wird gut.«
Leider haben weder Eltern noch Schulärzt*innen noch Lehrkräfte eine solche Glaskugel und Aussagen über Schulfähigkeit können oft nicht mehr als Mutmaßungen sein. Ich möchte aber beruhigend hinzufügen, dass alle Kinder, die ich als Lehrkraft in der Schule begrüße, sowohl bereits gut ausgereifte Kompetenzen als auch Bereiche, in denen noch Entwicklungsarbeit vor ihnen liegt, mitbringen. Es gibt nicht DIE fünf garantierten Erfolgsfaktoren. Aber ein liebevolles, beziehungsorientiertes Elternhaus, Vorfreude, den Fokus nicht nur auf Lernhefte, sondern auch auf emotionale und soziale Kompetenzen zu legen, sind für die Zeit des Schulstarts mit Sicherheit hilfreiche Elemente.
Ich möchte Eltern einladen, dabei nicht zu sehr auf Tabellen zu schauen. Ein Kind im Einschulungsalter kann sich durchschnittlich allerhöchstens 10 Minuten am Stück konzentrieren. Euer Kind kann das noch nicht? Dann wird das eben das kommende Trainingsfeld neben vielen Stärken, die es ganz sicherlich auch bereits mitbringt.
Wem legst du dein Buch besonders ans Herz?
Mein Buch ist ganz sicher besonders wertvoll für all jene Eltern, die mit sorgenvollem Blick auf den Schulstart des eigenen Kindes schauen. Eltern, die sich mit unschönen eigenen Schulerinnerungen plagen.
Es ist ein Buch für Eltern, die unsicher sind, welcher Einschulungszeitpunkt der richtige ist. Oder die Impulse für die Auswahl der passenden Schule brauchen.
Es ist ein Buch für Eltern, die einen Überblick darüber bekommen möchten, welche Aspekte in einer sinnvollen Vorbereitung überhaupt eine Rolle spielen können und welche für das eigenen Kind passend erscheinen.
Es ist ein Buch für Eltern, die nicht gleich in den ersten Schulwochen schon an emotionalem Aprilwetter und Hausaufgabenkrisen verzweifeln wollen und die eine Idee davon bekommen möchten, wie ein guter Kontakt zu Lehrkräften aufgebaut werden kann.
Es ist ein Buch für Eltern, die beim Loslassen Sicherheit und Zuversicht brauchen, die wieder mehr in ihren Einfluss als sicherer Hafen vertrauen möchte und die sich ein Stück von dem beruhigenden »Alles-wird-gut-und-wenn-nicht-habe-ich-Möglichkeiten«-Gefühl zurückerobern wollen.