Aktuell kann es zu längeren Lieferzeiten kommen • Mehr Infos
Dienstag, 20. Juni 2023

Verena Carl und Christiane Kolb über ihr neues Buch »Queere Kinder«

»Gerade wenn die Gesellschaft als Ganzes noch viel dazulernen muss und queere Kinder und Jugendliche Gefahr laufen, verletzt zu werden, ist es um so wichtiger, dass Eltern und andere Bezugspersonen wirklich hinter ihnen stehen.«

Verena Carl, Mutter eines queeren Teenagers, und Sexualwissenschaftlerin Christiane Kolb haben gemeinsam das Buch »Queere Kinder« geschrieben. Darin stehen sie Eltern von queeren Kindern mit Wissen und Rat zur Seite und bieten umfassende Informationen zur Vielfalt sexueller Orientierungen und Geschlechtsidentitäten. Übungen z.B. zum Umgang mit widerstreitenden Gefühlen, Leitfäden für Familiengespräche auf Augenhöhe sowie ein ausführliches Glossar runden das Buch ab.

Warum tun wir uns als Eltern oder Bezugspersonen oftmals schwer, wenn sich das eigene Kind als queer outet?
Verena Carl: Ich glaube, das hat mehrere Gründe, innere wie äußere, und es macht einen Unterschied, was das im Einzelfall bedeutet, um welche Dimension es geht. Verbreitet ist sicher die Angst, das eigene Kind könnte diskriminiert werden, was ja leider nicht ausgeschlossen ist. Oder die Angst vor komplexen Entscheidungen, etwa, wenn es um medizinische Eingriffe wie geschlechtsangleichende Maßnahmen geht. Aber, klar: Es hat auch mit elterlichen Projektionen zu tun, einer anderen Vorstellung von einem guten Leben, Befürchtungen, selbst schief angeschaut zu werden, oder der eigenen Hilflosigkeit, wenn man spürt: Die Gefühle, die Identität meines Kindes sind für mich schwer nachvollziehbar.

Was würdet ihr Erwachsenen – und vor allem Eltern – denn raten, wenn queere Schlagworte oder eine Selbstaussage dazu auf den Tisch kommen? Wie reagiert man gut?
Christiane Kolb: Ich würde dringend empfehlen: erst einmal zuhören und verstehen, bitte nicht sofort urteilen, ablehnen oder auch wissend nicken. Dabei habe ich riesiges Verständnis, dass wir Eltern innerlich im Zweifel sind. Aber im Kontakt mit dem Kind heißt es erst einmal offen dafür zu sein, und zu erfahren, was im Kind vorgeht. Lassen Sie sich erst mal genauer beschreiben, was die Gefühle und Beweggründe sind. Wie lange sind sie da? Wie tief geht das?

Wichtig ist auch, das jeweilige Schlagwort, egal ob lesbisch, bi, pansexuell, trans, und so weiter ernst zu nehmen, die Bedeutung zu kennen. Ein erstes wichtiges Wissen ist für Eltern dabei die grundlegende Unterscheidung von sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität. Die sexuelle Orientierung ordnet ein, zu wem man sich in Liebe und Lust hingezogen fühlt. Die Geschlechtsidentität dagegen bildet das Spektrum der Geschlechter ab. Und dann heißt es abwarten, wirken lassen, weitersprechen. Für solche Momente haben wir erstens die Definitionen der Begriffe und Anleitungen im Buch, wie man ruhig bleibt und auch eigene Gefühle richtig einordnet.