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Donnerstag, 26. September 2024

Barbara Voigt und Beate Wagner über »Die weibliche Angst«

Wie Frauen und Mädchen Ängste erleben und bewältigen

Liebe Barbara Voigt, liebe Beate Wagner, Sie haben ein ganzes Buch über weibliche Angst geschrieben. Inwieweit unterscheidet sich die Angst bei Frauen und Männern?
Beate Wagner: In Bezug auf die Symptome unterscheidet sich Angst nicht zwischen Männern und Frauen. Es gibt aber entscheidende Differenzen in der sogenannten Prävalenz: Bei Frauen treten Ängste doppelt so häufig auf. Auf jeden ängstlichen Mann kommen also zwei ängstliche Frauen. Wir wollten wissen, warum und haben in dem Buch »Die weibliche Angst« die Gründe dafür zusammengetragen.

 

Gibt es die »typisch weibliche Angst« überhaupt?
Barbara Voigt: Die Symptome der Angst, etwa Herzrasen oder Schwindel sind nicht geschlechtsspezifisch. Das typisch Weibliche der Angst zeigt sich jedoch auf vielen verschiedenen Ebenen. Psychosomatische Beschwerden, also körperliche Auswirkungen der Angst, und begleitende Erkrankungen wie zum Beispiel die Depression, zeigen sich bei Frauen häufiger als bei Männern. Östrogen als weibliches Geschlechtshormon begünstigt angstähnliches Verhalten in nahezu allen Lebensphasen von Frauen. In unserem Buch beschreiben wir auch den Einfluss von Rollenbildern, Social Media und dem Klimawandel auf Frauen und Mädchen. Das Impostor-Syndrom zum Beispiel, also Selbstzweifel trotz beruflicher Erfolge, ist bei Frauen und Männern gleichermaßen vorhanden. Für Frauen zieht das jedoch häufiger Ängste nach sich.

 

Welche Rolle spielen gesellschaftliche Erwartungen bei der Entstehung von Ängsten bei Frauen?
Beate Wagner: Es gibt immer noch sehr viele spezifische Erwartungen an Mädchen und Frauen, sowohl in der Familie als auch in der Kita, Schule, Uni oder auch später im Beruf. So werden die Leistungen von Mädchen in der Schule oft fehleingeschätzt. Mädchen werden immer noch in Mathe schlechter bewertet, obwohl Studien deutlich zeigen, dass Mädchen das Gehirn ähnlich nutzen wie Jungs. Eine Zahlenschwäche kann also nichts mit dem Geschlecht zu tun haben. Die Stereotype sind in Deutschland stärker ausgeprägt als im OECD-Durchschnitt. Studien belegen zudem, dass Eltern und Mädchen sich selbst für weniger talentiert halten, Jungs hingegen überschätzen sich oft nachweislich. Im Laufe der Entwicklung passen sich Mädchen stärker an ihre Umwelt an, sie stimmen ihrem Gegenüber eher zu, lassen andere mehr zu Wort kommen, geben klein bei. Auch in der Uni werden Frauen kritischer bewertet und unbewusst oft als weniger leistungsbewusst wahrgenommen. Die Folgen sind signifikant: Frauen trauen sich im Arbeitsleben häufiger weniger zu, begegnen Herausforderungen zögerlich – und verorten sich in Berufen, in denen sie von Beginn an weniger Geld verdienen.